Peter Stübig, Ortsheimatpfleger LobmachtersenAugust 2016


Die Molkerei in Lobmachtersen
 

Im Jahre 1966 wurde die vor 50 Jahren gegründete Molkerei in Lobmachtersen geschlossen. Damit ging auch genau nach 75 Jahren die Geschichte der „Central-Molkerei-Lobmachtersen“ zu ende.

Bis zur maschinellen Verarbeitung wurden von wenigen Milchkühen auf den
Bauernhöfen die Milch per Hand mühselig Butter und Käse meist zum eigenen Verbrauch verarbeitet.
Mit dem stark zunehmenden Rübenanbau in der Landwirtschaft Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden auch die erforderlichen Zuckerfabriken in unserer Region. Die Rübenblätter, sonst Abfall,  eigneten sich hervorragend zu Wintersilage und damit Futter (Sauerblatt) für das Rindvieh über den Winter. Damit konnten nun größeren Michviehbestände gehalten werden.

Jedoch benötigten die Bauern zur Milchverarbeitung eine Molkerei. Daher entschlossen sich Bauern aus Lobmachtersen und umliegenden Orten im Jahre 1891 eine Molkerei zu gründen.
Es wurden dazu größere Stallungen errichtet bzw. ausgebaut für bis zu 45 Milchkühen. Aus Mangel an eigenen Melkern wurden auch aus der Schweiz Fachleute angeworben die sich nach ihrer Herkunft „Schweitzer (alte Schreibweise) nannten. So wurde zur Leitung des großen Milchviehstalles auf den Hof Isensee 1900 der erfahrene „Schweitzer“ Johann Dolder eingestellt, dessen Nachfahren noch heute in Salzgitter leben.

Dem Bauvorhaben einer Molkerei schlossen sich 1891 nun konkret 44 Bauern außer aus Lobmachtersen aus Cramme, Flachstöckheim und Calbecht zusammen. Es wurde schnell ein Grundstück zwischen dem Gasthof „Deutsche Eiche“ und dem Bauern Isensee gefunden und als „Central-Molkerei Lobmachtersen, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung“ im Amtsgericht Salder am 15. April 1891 eingetragen. Jedes der 44 Genossenschaftsmitglieder konnte ein beliebige Anzahl von Geschäftsanteile von 10,00 Mark das Stück erwerben, so dass 352 Anteile mit einer Summe von 3520,0 Mark zusammenkamen.

Die Bauarbeiten zur Molkerei begannen noch im April und im bereits Oktober konnte der Betrieb aufgenommen werden. Die Baukosten betrugen 64.000,00 Mark, wovon der Großteil über Kreditanstalten finanziert wurde. Die Dampfmaschine für Heizung, Licht und Antrieb der Verarbeitungsgeräte lieferte die Fa. Möller aus Brackwede.

Es wurde ein Betriebsleiter, Herr Reese aus Brüggen, eingestellt der über den Betriebsräumen seine Wohnung hatte. Die Tagesmenge der angelieferten und verarbeiteten Milch betrug 5000 Liter, wovon 8 Pfg./Liter die Bauern bekamen. Schon im ersten vollen Geschäftsjahr 1892 wurde ein Gewinn von 16.000,00 Mark erwirtschaftet und die Anzahl der Genossen stieg auf 63 Mitglieder.
Butter und Quark wurden an Kunden zum Beispiel nach Braunschweig, Hannover und bis nach Bremerhaven, Leipzig, Berlin und Dresden per Bahn beliefert.

Auf Grund des großen Erfolges wurde 1893 eine Käserei gebaut und dazu vier  Fachleute eingestellt. Produziert wurden Harzkäse und Marienkäse zu 10 Pfg. / Stück sowie Kaiserkäse, Backsteinkäse, Romadur und Camembert. Wenn auch der Absatz gut lief, so ergaben sich mit auswärtigen Kunden erhebliche Zahlungsschwierigkeiten, davon zeugen die vielen Anfragen bei der Creditreform. Die Molkerei erwirtschaftete bis Ende 1885 einen Verlust von 10.000,00 Mark und stellte die Produktion der Käserei ein. Der Liter Milch an die Bauern konnte nur noch mit 6 Pfg. /Liter vergütet werden, die Crammer Genossen stiegen aus und bauten sich eine eigene Molkerei.
Aber die verbliebenen Bauern fanden sich wieder zusammen und zahlten für jeden erworbenen Anteil nochmals 15,00 Mark. Mit dem neuen Betriebsleiter Targgatz kam die Molkerei aus dem Tiefstand wieder heraus und es wurde 1908 zur Kühlhaltung ein Eiskeller angebaut. Mit der elektrischen Stromversorgung im Ort 1912 schloss sich auch die Molkerei an. Aber die Dampfmaschine wurde weiterhin zur Heizung und zum Antrieb der Maschinen. Am 1. Januar 1914 wurde Bernhard Crone neuer Betriebsleiter, der bis 1936 blieb.

Recht früh musste die Milch für den Tag verarbeitet werden, so dass schon um 04:30 Uhr die Milch von den Bauern aus den Dörfern mit Pferden und Anhägern abgeholt wurde. In der ehem. Käserei wurde ein Stall für die Zugpferde zur Erholung und Fütterung hergerichtet und in den Oberteil wurden zwei Wohnungen für Mitarbeiter ausgebaut. Für die Schulen wurden 1934 erstmalig Trinkmilch in Glasflaschen mit Pappdeckel und echtem Strohhalm ausgeliefert. Es erfolgte 1940 eine gesamte Umstellung auf elektrischen Strom. Auf Anordnung wurden die Molkereien in Cramme und Groß Flöhe geschlossen und die Milch kam nach Lobmachtersen. Damit hatte die Molkerei täglich 15 000 Liter Milch zu verarbeiten, hatte aber durch den Bevölkerungszuwachs durch die Reichswerke einen erhöhten Absatz. Im Jahre 1956 wurde der Betriebsleiter Beyer nach 20 Dienstjahren von Haselmeyer abgelöst. Die Molkerei Gustedt kam 1962 mit dem Betriebsleiter Werner Puls zu Molkerei Lobmachtersen. Die Produkte Trinkmilch, Butter, Sahne Quark und Schichtkäse wurden in der hauseigenen und auswärtigen Verkaufsstellen vertrieben.

Durch Veränderungen in der Landwirtschaft Anfang der 1960er Jahre ging die Milchviehhaltung immer weiter zurück. Daher entschlossen sich die verbliebenen 55 Genossen 1966 eine Verschmelzung mit der „Vereinigten Salzgitter Milch“  in Broistedt einzugehen. Am 31 Mai 1966 wurde der Betrieb in der „Cental-Molkerei Lobmachtersen“ nach 75 Jahren eingestellt. Der Betriebsleiter Werner Puls wechselte mit nach Broistedt bis zu seinem Ruhestand 1978, erwarb die hiesige ehem. Käserei, die er zur Wohnung ausbaute. Für einige Jahre wurden die noch verbliebenden Milchmengen per LKW von den Bauern nach Broistedt gefahren.

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